Claudia Vierle : Camillo Schneider - Kapitel 9

9. 1933-1945: Arbeiten während der Zeit des Nationalsozialismus

Mit Einsetzen der nationalsozialistischen Diktatur wurden alle Vereinigungen und Gesellschaften reorganisiert und unter einer zentralen Verwaltung zusammengefaßt. Fachleute, die nach außen hin keine politische Meinung vertraten, blieben im Nationalsozialismus weitgehend unbehelligt. [Anm.#196: s. hierzu G. Gröning, J. Wolschke-Bulmahn 1986: Liebe zur Landschaft. Teil II. Natur in Bewegung. München, 49: „Generell läßt sich sagen, daß die sich mehrheitlich eher als unpolitisch verstehenden Gartenarchitekten relativ ungestört, sofern man nicht einen ,Ariernachweis' oder andere Anforderungen des NS-Staates als ,störend' empfand, weiterarbeiten konnten."] Schneiders Anpassung an die Anforderungen des Nationalsozialismus gelang ihm ebenso problemlos wie schon seine Assimilation in die k.u.k. Monarchie [Anm.#197: Eine Mitgliedschaft in der NSDAP war weder für Schneider selbst noch für seine Frau Margot nachzuweisen (Bundesarchiv Berlin). Dagegen war Schneiders Bruder Hermann schon früh in die NSDAP eingetreten und bekleidete in Breslau die Stelle des Präsidenten der Landwirtschaftskammer, was Camillo Schneider für sich als Reputation anführte (vgl. Brief vom 2.10.1936 aus der Akte Camillo Schneider im Bundesarchiv Berlin). ].

Viele damals bedeutende Repräsentanten der Landschaftsplanung nationalsozialistischer Prägung [Anm.#198: z.B. H. F. Wiepking-Jürgensmann (1891-1973), der u.a. ab 1939 einem H. Himmler untergeordneten Planungsstab angehörte und 1942 Leiter der „Gruppe Landschaftspflege in den neuen Siedlungsgebieten" wurde (G. Gröning, J. Wolschke-Bulmahn 1997: Grüne Biographien. Berlin /Hannover). Weitere ideologisch konforme Autoren der „Gartenschönheit" waren beispielsweise A. Seifert (1890-1972), W. Lange (1864-1941) und G. Allinger (1891-1974). Die Jahresinhaltsangabe der „Gartenschönheit" liest sich in den Jahren von 1933-1944 teilweise wie ein „Who is Who" der nationalsozialistischen Garten-und Landschaftsgestaltung.] veröffentlichten Artikel in der „Gartenschönheit". Somit war Schneiders Position als Mitherausgeber dieser Zeitschrift ausreichend gefestigt, wodurch er ohne Schaden auf nationalsozialistische Parolen verzichten und sogar in gewissen Bereichen Kritik an der gerade verbindlichen Linie üben konnte.

Ein Beispiel seiner nicht in allen Bereichen gültigen Linientreue belegen Gröning und Wolschke-Bulmahn und interpretieren ein Schreiben Schneiders, in dem er anfragte, ob er weiterhin für Nichtarier arbeiten dürfe, wie folgt:

„Auch unter der NS-Diktatur existierten Freiräume zu demokratischem Verhalten, die allerdings von vielen gar nicht wahrgenommen, sondern freiwillig aufgegeben wurden. Für eine zumindest gewisse Inanspruchnahme solcher Freiräume soll als Beispiel der Gartenarchitekt Camillo Schneider angeßhrt werden, der 1937 bei der Reichskammer der bildenden Künste anfragte, ob er für nichtarische Klienten arbeiten dürfe. Diese Anfrage wurde von der Kammer bejaht (...). Anderen Gartenarchitekten wurde allerdings im selben Zeitraum Berufsverbot angedroht, falls sie weiterhin für jüdische Bauherren arbeiteten, so z.B. dem Gartenarchitekten Valentien"[Anm.#199: G. Gröning, J. Wolschke-Bulmahn. 1986: Liebe zur Landschaft. Teil II: Natur in Bewegung. München, 47]

Wie der Wortlaut dieses Briefes vom 18.4.1937 an den Landesleiter der Reichskammer der Bildenden Künste, Gau Berlin, zeigt, hatte Schneider zunächst keine Arbeiten mehr für die „nichtarische" Frau Simson ausgeführt [Anm.#200: S. Akte Camillo Schneider im Bundesarchiv Berlin.]. Nachdem ihm die Unbedenklichkeit einer weiteren Tätigkeit für Frau Simson offiziell bestätigt wurde, betreute er weiterhin deren Garten in Dahlem. Camillo Schneider konnte gut abschätzen, welches Risiko er eingehen konnte, ohne Gefahr zu laufen, in Schwierigkeiten zu geraten. Ab 1930 übernahm Karl Wagner die Aufgabe des Hautpschriftleiters bei der "Gartenschönheit". Zweifellos war es nun ein günstiger Umstand, daß schon ab 1930 der Nationalsozialist Karl Wagner [Anm.#201: Karl Wagner (1897-?), Schriftleiter bei der „Gartenschönheit" ab März 1929, außerdem Gartenarchitekt in Berlin-Westend (G. Gröning, J. Wolschke-Bulmahn 1997: Grüne Biographien. Hannover). ] zum verantwortlichen Hauptschriftleiter bei der „Gartenschönheit" ernannt worden war. ...

[Name : Claudia Vierle, E-Mail : cvierle@yahoo.de Kommentar: Sie haben auf Ihren Seiten die von mir verfasste Biographie Camillo Schneiders veröffentlicht. Ich würde Sie bitten, bezüglich Karl Wagners, dem zeitweiligen Schriftleiter der "Gartenschönheit", folgende Passage zu korrigieren, da er nach neueren Erkenntnissen (Markus Steuck schreibt gerade dessen Biographie) kein Anhänger des Nationalsozialismus war.

auf http://www.paeo.de/h1/schneider/vierle/09.html
Zweifellos war es nun ein günstiger Umstand, daß schon ab 1930 der Nationalsozialist Karl Wagner[Anm.#201: Karl Wagner (1897-?), Schriftleiter bei der „Gartenschönheit" ab März 1929, außerdem Gartenarchitekt in Berlin-Westend (G. Gröning, J.Wolschke-Bulmahn 1997: Grüne Biographien. Hannover). ] zum verantwortlichen Hauptschriftleiter bei der „Gartenschönheit" ernannt worden war.
Hier bitte einfach ändern in: Ab 1930 übernahm Karl Wagner die Aufgabe des Hautpschriftleiters bei der "Gartenschönheit". 
Die Anmerkung/Fußnote kann so bleiben. In der geplanten Neuauflage werden diese Angaben auch geändert. MfG Claudia Vierle] 

... Wagner war ein ehemaliger Mitarbeiter Wiepking-Jürgensmanns, der als nationalsozialistischer „Chefideologe" auf dem Gebiet der Landschaftsplanung gelten kann. Da Schneider und Foerster ebenfalls noch in der Redaktion mitarbeiteten, läßt dies auf eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit mit dem linientreuen Wagner schließen.

Schneider vermied weitestgehend die nationalsozialistische Phraseologie und verwandte statt dessen Synonyme, wie z. B. „neue Zeit", wodurch er indirekt seine Zustimmung zu den politischen Verhältnissen signalisierte. Seine sonstigen Artikel reduzierten sich auf rein fachliche Aspekte ohne Verquickung mit ideologischen Tendenzen. Die politischen Äußerungen Schneiders in dieser Zeit blieben, wie schon früher, vage. Eine Ausnahme bildete seine Stellungnahme zur Ernennung Wiepking-Jürgensmanns zum ordentlichen Professor für Gartenkunst an der Landwirtschaftlichen Hochschule von Berlin und zum Direktor des Dahlemer Instituts für Gartengestaltung. Zu dessen Inauguration formulierte Schneider seine Glückwünsche und bediente sich erwartungsgemäß der Phrasen der nationalsozialistischen Herrschaft. [Anm.#202: Wenn wir auch auf dem Gebiete des gartenkünstlerischen Schaffens in der Nachkriegszeit nicht so stark vom rechten Wege abgewichen sind, wie es auf anderen Schaffensgebieten so vielfach der Fall war, so müssen wir doch jetzt noch sehr viel zielbewußter an diese Probleme herangehen, die in tiefster Weise von Blut und Boden abhängig sind. Nächst dem Landbebauer ist es der Gartengestalter, der sein Teil dazu beitragen muß, daß wir durch den Garten wieder fest mit der Heimat verwurzeln und aus ihr unsere Kraft ziehen." (C. Schneider 1934: Heinrich Fr. Wiepking-Jürgensmann. Gartenschönheit, 15. Jg., 83)]

Konträr zu diesen Äußerungen lief zunächst Schneiders fachlicher Anspruch bezüglich der Pflanzenverwendung. Mit dem auch von ihm im o.g. Artikel verwendeten Begriff „Blut und Boden" verbanden viele Nationalsozialisten die Forderung, nur sog. „heimische", „bodenständige" Pflanzen im Deutschen Reich zu verwenden. [Anm.#203: Die Ungenauigkeit und Ideologisierung, die sich mit der Eingrenzung „bodenständiger" Pflanzen verband, dokumentiert die Selbsteinschätzung einer Baumschule, die Pflanzenmaterial für die Autobahnbegrünung lieferte. „Gustav LüdemamTs bodenständige Pflanzenzucht - Halstenbeck- flir Süddeutschland", so die Firmenbezeichnung, vertrieb trotz ihrer Plädoyers für Bodenständigkeit nichtheimische Forstgehölze, z.B. Douglasien, und übernahm ,jede Holzart in Lohnanzucht". In ihrem Werbebrief an die Reichsautobahndirektion schrieb die Firma allerdings, sie wolle eine Synthese von Reinrassigkeit und Bodenständigkeit" bei ihren Gehölzen erreichen. Alle „minderwertigen Merkmale "1933-1945: Arbeiten während der Zeit des Nationalsozialismus ] Dies stand in krassem Gegensatz zu Schneiders bisherigen Bemühungen, neue und vor allem asiatische Pflanzen in Mitteleuropa einzubürgern. Seine hierzu abweichende Meinung machte er ohne Scheu publik. Er hat „sich ehrlich darum bemüht (...), dieses Problem von den Vorurteilen zu befreien, die ihm in der Nazizeit nahezu gewaltsam aufgepfropft worden sind". [Anm.#204: G. Pniower 1953: Gehölzkunde und Landeskultur. Leipzig/Jena. 79.]

In der „Gartenschönheit" veröffentlichten er und Karl Foerster diverse Artikel über dieses strittige Thema. In seinen Artikeln argumentierte Schneider, daß der Begriff „bodenständig", in seiner eigentlichen Bedeutung angewendet, zu einer deutlichen Verarmung der Vegetationsvielfalt in der deutschen Landschaft führen würde. Viele der inzwischen auch in der Natur häufigen Pflanzen, die erst nach der letzten Eiszeit durch den Menschen eingeführt wurden, [Anm.#205: Heute sind für Mitteleuropa ca. 230 Agriophyten nachgewiesen. Als Agriophyten (Neuheimische) werden solche Pflanzen bezeichnet, die „durch die Tätigkeit des Menschen in ein bestimmtes Gebiet gelangt sind, mittlerweile feste Bestandteile der heutigen natürlichen Vegetation sind und künftig in ihrem Fortbestehen nicht mehr auf menschliche Aktivitäten angewiesen sind". (W. Lohmeyer & H. Su-kopp 1992 nach W. Fischer 1998: Zur Einbürgerung von Parkpflanzen in Brandenburg II. Verhandlungen des Botanischen Vereins von Berlin und Brandenburg, 130. Bd., Berlin 169)] wären demnach nicht im eigentlichen Sinne „bodenständig" und daher wieder zu entfernen. Eine derartige Vorgehensweise hielt er aber für unsinnig und beinahe undurchführbar. Statt dessen legte er dar, daß schon immer fremde Pflanzen in Mitteleuropa heimisch wurden, sobald die Standortbedingungen ihren Ansprüchen genügten. Viele dieser eingebürgerten Pflanzen würden von den Menschen gar nicht mehr als „ausländisch" erkannt. Als Konsequenz daraus befand er, daß noch mehr „Ausländer" in deutschen Landen Verbreitung finden könnten. In seinen späteren Artikeln beschränkte er sich auf den Standpunkt, daß auf die Neupflanzung fremdländischer Pflanzen in der freien Landschaft zwar verzichtet werden könne [Anm.#206: Dieser Rückzug auf gemäßigtere Ansichten in der Pflanzenverwendung stand wahrscheinlich in Zusammenhang mit seiner Arbeit für die Reichsautobahn und seiner Hinwendung zur biologischdynamischen Wirtschaftsweise (s. folgende Kapitel).], jedoch nicht auf ihre Verwendung in Garten und Park. [Anm.#207: Zu Schneiders Bemühungen, der „Bodenständigkeit" entgegenzuwirken s. z.B.: C. Schneider 1939: Wertvolles altes und neues Gartengut. Gartenschönheit, 20. Jg., 405-408.]

Ab 1934 ergab sich für Schneider die Möglichkeit, als Berater beim Bau der Reichsautobahn mitzuarbeiten. [Anm.#208: Während dieser Tätigkeit war er unter folgender Adresse erreichbar: Charlottenburg, Bolivarallee 9.56 Camillo Schneider]

sollten ausgemerzt werden (Bundesarchiv - R46.01-866). Der ideologische Rassebegriff verknüpfte sich im Nationalsozialismus mehr oder weniger eng mit pflanzensoziologischen Erkenntnissen, wurde aber beispielsweise in der Forstwirtschaft aus wirtschaftlichen Überlegungen kaum umgesetzt, obwohl das Reichsnaturschutzgesetz ausdrücklich das Einbringen fremder Gehölze in die freie Landschaft verbot.



9.1 Landschaftsanwalt bei der Reichsautobahn

Im August 1932 wurden dem Reichstag Teilpläne zum Reichsautobahnbau vorgelegt. Der Machtwechsel führte im darauffolgenden Jahr zur Ablösung der alten mit dem Autobahnbau beschäftigten Organisation durch eine neue Gesellschaft. Der Vorsitz dieser GEZUVOR (Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen e.V.) lag bei dem Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen, dem Nationalsozialisten Fritz Todt [Anm.#209: Fritz Todt (1891-1942): ab 1931 in der obersten SA-Führung, ab 1933 Leiter des Reichsautobahnbaues, ab 1938 Projektierung des Westwalls und Bau verschiedener militärischer Einrichtungen mit der technischen Spezialgruppe „Organisation Todt", von 1940 bis 1942 Reichsminister für Bewaffnung und Munition (Bibliographisches Institut (Hg.) 1985: Meyers Taschenlexikon in 10 Bd., Mannheim/Wien/Zürich) ], in Zusammenarbeit mit der Reichsbahn. Der Bau der insgesamt sechs Autobahnlinien begann offiziell am 23. September 1933 mit Hitlers Spatenstich. [Anm.#210: Annette Nietfeld 1985: Reichsautobahn und Landschaftspflege, Diplomarbeit. TU Berlin.] Um die geforderte „Einpassung in die Landschaft" [Anm.#211: Durch diese landschaftliche Eingliederung der Autobahnen gelang es, die technik- und fortschrittsfeindlichen Strömungen im Nationalsozialismus für den Bau zu gewinnen. „Nicht der Ästhetik wegen und auch nicht zuerst wegen des schöneren Fahrterlebnisses, sondern zur Bewahrung und Vertiefung der inneren Verbundenheit des deutschen Menschen mit seinem Heimatboden und damit der bodenständischen Entwicklung des deutschen Volkes wegen, sollte die Schönheit und bodenständige Wesensart der deutschen Landschaft erhalten bleiben." (Annette Nietfeld 1985: Reichsautobahn und Landschaftspflege, Diplomarbeit. TU Berlin. 49)] zu gewährleisten, wurden Gartengestalter bei der Trassenplanung und der späteren Bepflanzung hinzugezogen. „Führer" über diese „Landschaftsanwälte" und engster Berater Todts war der Reichslandschaftsanwalt Alwin Seifert [Anm.#212: Alwin Seifert (1890-1972) führte neben seiner Tätigkeit als Landschaftsanwalt Gartenplanungen für führende Nationalsozialisten durch. Nach dem Krieg fand er weitere Beschäftigung für den Freistaat Bayern. (G. Gröning, J. Wolschke-Bulmahn 1997: Grüne Biographien. Hannover)].

Die Aufgaben der Landschaftsanwälte wurden insbesondere von Seifert offiziell festgelegt:

„Bei dem Bau der Reichsautobahnen sind den einzelnen Bauleitungen Landschaftsgestalter beigegeben worden, die auf biologischer und botanischer Grundlage dafür sorgen sollen, dass die Reichsautobahnen, deren Erdbewegung und Linienführung eine Verletzung des Naturzustandes darstellt, organisch in die Landschaft einwach-

sen." [Anm.#213: Brief vom 6. August 1934 von Reichsarbeitsführer Tholens an die Arbeitsgauleitungen (Bundesarchiv -R46.01-1486). ]

Im Sommer 1934 schrieb Seifert an die Reichsautobahndirektion, welches Aufgabenspektrum unbedingt von Landschaftsgestaltern bewältigt werden solle:

Die landschaftliche Eingliederung der Reichskraftfahrbahnen wird erreicht auf dem Wege über drei Arbeitsvorgänge: 1. Die Wahrung der biologischen und ästhetischen Belange der Landschaft bei der Linienführung;

2. Berücksichtigung künstlerischer und biologischer Notwendigkeiten bei der Formgebung der Strasse;

3. Bepflanzung der Strasse..." [Anm.#214: Bundesarchiv - R46.01-1486.]

Camillo Schneider wurde von Alwin Seifert als Landschaftsanwalt vorgeschlagen und im Mai 1934 eingestellt. Bei der Streckenvergabe achtete man auf die Herkunft und den Wohnort des jeweiligen Gartengestalters. So bekam Schneider als ersten Planungsabschnitt die Autobahnstrecke Berlin-Brandenburg zur Gestaltung zugewiesen. Später bearbeitete er die Fortführung der Trasse bis nach Magdeburg.[Anm.#215: Ebd.]

Neben Seifert schlug auch der „Reichsbund Volkssturm und Heimat" geeignete Personen für die Arbeit als Landschaftsanwalt vor. Zu diesen „Männern mit dem erforderlichen Weitblick", die natürlich alle NSDAP-Mitglieder waren, gehörte Schneider nicht. Von dieser NSDAP-Organisation wurden beispielsweise M.K. Schwarz, G. Allinger und Erksleben vorgeschlagen. [Anm.#216: Brief vom 20.12.1933 des Reichsbundes Volkssturm und Heimat an Dr. Todt (Bundesarchiv - R46.01-1486): Ebenfalls auf der Liste der Leute mit der richtigen Gesinnnung standen die Namen Seifert, Hirsch, Meyer-Jungclaussen, Siegloch und Bauch.] Schneider war, wie Mattern [Anm.#217: Hermann Mattern (1902-1971) Gartenarchitekt, ab 1927 planerische Zusammenarbeit mit Karl Foer-ster (G. Gröning, J. Wolschke-Bulmahn 1997: Grüne Biographien. Hannover).], einer der wenigen Mitarbeiter bei der Reichsautobahn, die nicht hauptsächlich wegen ihrer nationalsozialistischen Gesinnung, sondern trotz fehlender Zugehörigkeit zur NSDAP angestellt wurden, da Seifert von ihrer fachlichen Qualifikation überzeugt war. Im Gegensatz zu den meisten anderen Parteimitgliedern legte Seifert im Zweifelsfall mehr Wert auf eine bessere fachliche Eignung als auf die korrekte politische Weltanschauung.

Noch im August 1935 klagte Seifert über ,J^eutenot" in bezug auf die Einstellung von Landschaftsanwälten, denn es würde vielen möglicherweise geeigneten Kandidaten die für die Aufgabe „notwendige innere Einstellung" fehlen.[Anm.#218: Bundesarchiv - R46.01-865.] Unter dieser „inneren Einstellung" verstand Seifert sowohl die politische Gesinnung als auch die Fähigkeit in „landschaftlichen Dimensionen" zu denken. Ab 1938 wurde der Mitarbeiterstab der Landschaftsanwälte jedoch wieder reduziert:

„In der landschaftlichen Entwicklung der Straßen und der Reichsautobahnen ist nunmehr ein Entwicklungsabschnitt erreicht und abgeschlossen. " [Anm.#219: Mitteilung zur Entlassung von Ungewitter, Kynast, M. Lange, Lilienfein und Allinger vom 23.8.1938 von Eduard Schönleben (Bundesarchiv - R46.01-860)]

Die Landschaftsanwälte erhielten Pauschalsummen von 300 bis 500 Reichsmark zuzüglich etwaiger Übernachtungskosten und Spesen. Außerdem konnte ein Techniker auf die Fahrten bzw. Begehungen der Baustellen mitgenommen werden. [Anm.#220: Bundesarchiv - R46.01-1486.58] Camillo Schneider bekam für seine Tätigkeit bei der Reichsautobahn im Juli 1934 beispielsweise RM 577,30, davon wurden RM 400,- pauschal vergütet, RM 85,80 entfielen auf Tagegelder, die für jeden Tag im Gelände gezahlt wurden, der Rest bestand aus Fahrgeld (RM 84,80) und Nebenkosten. 1935 gab Schneider ein Jahreseinkommen von 7.176,-Reichsmark an, davon stammten RM 4.100,- aus Arbeiten als Gartengestalter, u.a. für die Reichsautobahn, und der Rest, RM 3.076,-, aus schriftstellerischer Tätigkeit. 1936 verringerten sich seine jährlichen Einkünfte auf RM 5.402,-, davon RM 2.500,- aus schriftstellerischer Arbeit. [Anm.#221: Bundesarchiv - Akte Camillo Schneider.]

Zunächst bearbeitete Camillo Schneider die ihm zugewiesene Strecke von Berlin nach Brandenburg. Von Seifert hatte er 1934 ebenfalls die Bearbeitung eines Teilstückes des Berliner Ringes zugesagt bekommen, doch waren für die geplanten Bauabschnitte bereits andere Gartengestalter eingeplant worden. Schneider besaß kein eigenes Auto und reiste daher zu den notwendigen Begehungen mit dem Zug an. Vor Ort konnte er dann Fahrzeuge der Reichsautobahn einschließlich eines Fahrers nutzen.

Schneider arbeitete in gutem Einvernehmen mit den örtlichen Bauleitungen der jeweiligen Streckenabschnitte zusammen, doch sollte er ebenfalls auf der übergeordneten technischen Verwaltungsebene in Fragen der landschaftlichen und gärtnerischen Gestaltung beratend tätig werden. In Schneiders Fall war diese vorgesetzte Behörde, die gleichzeitig der offizielle Arbeitgeber der „Landschaftsanwälte" war, die Oberste Bauleitung der Kraftfahrbahn (OBK) Hannover, Streckenbauleitung Ost. Die Akzeptanz der von den „Landschaftsanwälten" aufgestellten Grundsätze fiel bei den einzelnen OBKs, die sich aus Ingenieuren technischer Fachrichtungen zusammensetzten, sehr unterschiedlich aus. So hatte Schneider das Pech, daß die OBK Hannover nicht sehr an einer Zusammenarbeit interessiert war. Die OBK Hannover sah beispielsweise die von Seifert publizierten Merkblätter zu Gestaltungsfragen in bezug auf die Autobahn solange als nicht verbindlich an, solange „nicht eine ausdrückliche gesonderte Verfügung der Direktion der Gesellschaft Reichsautobahn" dies bestimmte. Als es deswegen zu Verzögerungen im Arbeitsfortgang gekommen war, und Seifert an Schneiders Strecke auf offene Sandentnahmegruben gestoßen war, die Seiferts Grundsätzen von landschaftlicher Gestaltung widersprachen [Anm.#222: Im Brief von Seifert an Baurat Dorsch heißt es dazu: „so liegengelassen, wie dies im Zeitalter nur ausbeutenden Unternehmertums üblich gewesen sein mag" (Bundesarchiv - R46.01-862).], legte Schneider ihm seine Schwierigkeiten mit der OBK Hannover dar. Schließlich fragte Schneider bei Dr. Todt an, ob die Verteilung der Kompetenzen nicht eindeutiger geregelt werden könne:

„Es erscheint daher dringend geboten, die Vollmacht der Landschaftsgestalter in dieser Hinsicht (selbständige Entscheidungsbefugnis gegenüber den Weisungen der OBK Hannover, Anm. d. Verf.) genau festzulegen. " [Anm.#223: Brief vom 30.6.1934 von C. Schneider an Todt (Bundesarchiv - R46.01-1468). ]

Eine umfangreichere Vollmachtserteilung für den Landschaftsanwalt wurde jedoch nicht durchgesetzt. Statt dessen galt die Prämisse, daß sich jeder Landschaftsanwalt selbst um eine gute Zusammenarbeit bemühen sollte. Schneider gelang es im folgenden, mehr schlecht als recht mit „seiner" OBK zusammenzuarbeiten. [Anm.#224: Andere hatten damit mehr Probleme, z.B. F. Stück, dessen allzu heftige Reaktionen zu seiner Kündigung führten (vgl. dessen umfangreichen Schriftwechsel im Bundesarchiv - R46.01). ] Er mußte mit der OBK Hannover beispielsweise um die Einhaltung der saisongebundenen Pflanztermine kämpfen. Seifert bat Todt im Dezember 1936 daher um eine verbindliche Verfügung, die Schneider die termingerechte Weiterarbeit ermöglichen sollte:

„Für Herrn Schneider, der mit der eintönigsten Landschaft, dem ärmsten Boden und der bisher verständnislosesten Behörde zu ringen hat, bedeutet die oben erbetene Verfügung die einzige Möglichkeit, seine Strecke zu einigem Ansehen zu bringen. " [Anm.#225: Brief von Seifert an Todt vom 10.12.1936 (Bundesarchiv - R46.01-862).]

Zusätzlich zu diesen Schwierigkeiten mußte Schneider unter Zeitdruck arbeiten, da die Strecke von Berlin nach Brandenburg unbedingt zur Olympiade fertiggestellt sein sollte:

„Wir haben in Brandenburg alles getan, was ich verantworten zu können glaube. Vielleicht ist es mir einmal möglich, Ihnen diese Maßnahmen bei einem Besuche der Strecke selbst zu erläutern. " [Anm.#226: Brief vom 30.6.1934 von C. Schneider an Todt (Bundesarchiv - R46.01-1468).]

Anregungen zur Gestaltung der „tristen Waldränder" holte sich Schneider bei dem Geheimrat Bier in Sauen bei Pfaffendorf (Mark), der dort Studien zur naturnahen Bepflanzung von Waldrändern betrieb. [Anm.#227: Brief von C.Schneider an den Generalinspektor vom 30. Juni 1934 (Bundesarchiv - R46.01-1486).]

1936 kam es fast zum Eklat über Schneiders Gestaltung des Autobahnabschnitts Berlin-Brandenburg. Seifert, der mehr mit der süddeutschen Landschaft vertraut war, mißfielen Schneiders Ergebnisse:

„In der letzten Woche (Juni 1936, Anm. d. Verf.) habe ich die von Herrn Mattern und die von Herrn Schneider gepflanzten Strecken befahren und bin dabei nicht sehr glücklich geworden. " [Anm.#228: Brief von Seifert an Lorenz vom 30.6.1936 (Bundesarchiv - R46.01-862).]

Mattern bearbeitete die Berliner Südtangente. Seifert wollte zusammen mit Oberbaurat Lorenz [Anm.#229: Reg. Baurat Lorenz war der „Beauftragte für die Durchgangsautobahnen" und „Sachbearbeiter für landschaftliche Gestaltung", ab 1936 waren er und sein Kollege Schurhammer, obwohl sie keine gärtnerische Ausbildung genossen hatten, ebenfalls als Landschaftsanwälte tätig. Lorenz beurteilte auch Schneiders Pläne.] und Camillo Schneider die betreffende Strecke abfahren und Schneiders Pflanzpläne auf ihre „Richtigkeit" hin überprüfen. [Anm.#230: Brief von Seifert an Lorenz vom 30.6.1936 (Bundesarchiv - R46.01-862).60 Camillo Schneider] Ein weiterer Baurat, Schönleben, befuhr die Schneider übertragene Verlängerung von Brandenburg nach Magdeburg. Er verfaßte einen für Schneider niederschmetternden Bericht:

„Ausserordentlich bedauerlich ist, dass gegen die Eintönigkeit dieser Strecke durch entsprechende Bepflanzungsmaßnahmen nichts genügendes unternommen wurde. Überhaupt gibt die Bepflanzung der Strecke Anlass zu allerhand Kritik: Unserem Grundgedanken, dass die Pflanzungen der Autobahn sich dem in der Landschaft Vorhandenen anschliessen und dadurch das Vorhandene verstärken und betonen sollen, ist leider nicht Rechnung getragen. Ich greife einige wenige der zahlreichen Beispiele heraus: Etwa bei km 397 tritt nördlich der Bahn an einer Stelle der Waldrand 50-60m zurück und gibt für eine Waldwiese Raum. Die Bepflanzung läuft als Band unmittelbar parallel neben der Autobahn und zerschneidet diesen Wiesenraum. Diese Art der Bepflanzung ist grundfalsch (...). Man hat den Eindruck, dass die Pflanzpläne ausschließlich im Büro gefertigt sind und dass dabei die an anderen Stellen so wohlgeglückte Gestaltung von Räumen in keiner Weise berücksichtigt wurde. Es ist zwar einerseits zu bedauern, dass bis heute erst auf so wenigen Flächen gepflanzt wurde, andererseits ist es zu begrüßen, dass diese wenig ansprechende Art der Bepflanzung nicht auf längeren Strecken durchgeführt ist. Auch die zu oft wiederholte Anlage von Alleen aus Sauerkirschen entspricht nicht ganz unserem mehrfach betonten Grundsatz, dass als Alleebaum nur ein Baum geeignet ist, der später so groß wird, dass er eine zu den sonstigen Ausmaßen der Reichsautobahn würdige Allee abgibt. (...)Wir haben Herrn Camillo Schneider als Landschaftsanwaltfür Pommern eingeteilt. Nach dem, was ich an dieser Strecke gesehen habe, zweifle ich, dass er, der zwar einmal die deutschen Gartengestalter aus ihrer früheren falschen Einstellung zu unserer heutigen Richtung herausgeführt hat, die geeignete Kraft ist, die wir für den Strassenbau brauchen. Wir wollen diesem Pionier keine Unehre antun; er mag auch recht sein für einige Vorträge, aber ich glaube, wir sollten in Pommern im Laufe dieses Jahres eine jüngere Kraft einarbeiten. Die Bepflanzung der Autobahn zwischen Brandenburg und Magdeburg wäre besser ohne Herrn Schneider geraten." [Anm.#231: Reisebericht von Schönleben und Todt über die Strecke Werder-Schermen vom 25.6.1936 (Bundesarchiv - R46.01-862).1933-1945: Arbeiten während der Zeit des Nationalsozialismus ]

Nach dieser herben Kritik, die Schneider befürchten lassen mußte, keine weiteren Aufträge bei der Reichsautobahn zu bekommen, bat er Todt höflichst um eine Unterredung und versuchte, einige der Kritikpunkte zu entkräften. Besonders entrüstete ihn der Vorwurf der Reißbrettarbeit, statt dessen machte Schneider geltend, daß er sich ausgiebig mit der vorherrschenden Vegetation auseinandergesetzt habe. Die besagte Wiese sei nach seinen Informationen zur Aufforstung vorgesehen gewesen, weswegen die Bepflanzung an der Autobahn durchaus angemessen gewesen sei. Auch die Pflanzung von Sauerkirschen verteidigte er mit Verweis auf die für die Landschaft um Werder prägenden Obstbaumhaine sowie den mehrfach laut gewordenen Forderungen, an den Autobahnen in irgendeiner Weise verwertbare Pflanzen anzupflanzen. Durch Beharrlichkeit, ohne jedoch unfreundlich zu werden, gelang es Schneider, Seifert und Todt zu überzeugen, ihn weiter zu beschäftigen.(s. Abb. 20)



Abb. 20: Einer der Briefe von C. Schneider an den Generalinspektor Todt [Anm.#232: ' Brief von C. Schneider an Todt vom 25.8.1936 (Bundesarchiv - R46.01-862). ]

Quasioffizielle Organe der Reichsautobahndirektion waren die Zeitschriften „Die Straße" und „Der Straßenmeister". Alle hierin veröffentlichten Artikel gingen zunächst über den Schreibtisch von hochrangigen Mitarbeitern der Autobahndirektion. Dort wurde entschieden, ob sie erscheinen durften oder nicht. Für „Die Strasse" verfaßte Camillo Schneider ein fünfseitiges Manuskript über die „Landschaftsprobleme", mit denen er sich an der Reichsautobahn Berlin-Magdeburg konfrontiert sah. Baurat Lorenz, der Sachbearbeiter des Generalinspektors für Landschaftsgestaltung, beurteilte Schneiders Artikel jedoch negativ:

„1) Anfangs langweilige Beschreibung

2) wo sind die Probleme?

3) Wo etwas, wie die Begrünung der Böschungen und Mittelstreifen behandelt wird, ist es nicht konsequent und erschöpfend.

4) Es fehlt anschauliches und beweiskräftiges Bildermateriar.“ [Anm.#233: Lorenz an Baurat Dorsch vom 2.10.1936 (Bundesarchiv - R46.01-862)..]

Daher wurde Schneiders Beitrag nicht veröffentlicht.

Schneider schien besonders gut mit Seifert umgehen zu können. So räumte Seifert Schneider beispielsweise Freiheiten bei der Pflanzenverwendung ein, die er bei Allinger [Anm.#234: Seifert rügte bei Allinger die Verwendung von Douglastannen und Sanddorn auf der Strecke Berlin-Joachimstal; außerdem zeige er sich nicht „kameradschaftlich" genug (vgl.. Brief von Seifert an Allinger vom 27.12.1935, Bundesarchiv - R46.01-862).], ebenfalls ein Landschaftsanwalt bei der Reichsautobahn, als nicht „bodenständig" kritisierte. Allinger beschwerte sich bei Seifert über diese ungleiche Behandlung:

Wie ich auch bereits früher von Herrn Camillo Schneider erfuhr, hat er die Frage der Verwendung des Sanddorns in den schlechten sandigen Böden (der Mark, Anm. d. Verf.) längere Zeit mit Ihnen erörtert, mit dem Ergebnis, dass Sie Herrn Schneiderfreistellten, den Sanddorn nach seinem Gutdünken anzupflanzen. " [Anm.#235: Brief von Allinger an Seifert vom 11.2.1936 (Bundesarchiv - R46.01-862).]

Fast alle pflanzensoziologischen Kartierungen an den Autobahnstrecken wurden von Dr. R. Tüxen und seinen Mitarbeitern durchgeführt [Anm.#236: Einige wenige Strecken bearbeitete auch der bekannte Pflanzensoziologe Ellenberg. ], die auch Pflanzvorschläge ausarbeiteten, so auch für Schneiders Teilstrecke Magdeburg-Nahmitz [Anm.#237: Gutachten von Dr. Tüxen vom 15.5.1936 für die Strecke Magdeburg-Nahmitz (Bundesarchiv -R46.01-862) ].

Schließlich waren bei der Reichsautobahn im April 1936 29 landschaftliche Berater beschäftigt, unter ihnen neben Schneider weitere Autoren der „Gartenschönheit" wie G. Allinger und M.K. Schwarz. [Anm.#238: Bundesarchiv - R46.01-866. Die gesamte Liste von April 1936 umfaßte folgende Namen: G. Allinger, Werner Bauch (Flauen), Josef Breloer (Hildesheim), Guido Erxleben (Wattenscheid), R. W. Gräbener (Nürnberg), Friedrich Heiler (Kempten/Allgäu), Dir. Hildebrandt (Tapiau/Ostpreußen), Wilhelm Hirsch (Wiesbaden), Reinhold Hoemann (Langenfeld/Rheinland), Hans Kayser (Heidelberg), Forstdir. a.D. Arthur Freiherr v. Krüdener (München), Otto Kurz (Ulm), Julius Kynast (Gleiwitz), Max Lange (Pirna/Saale), Oswald Langerhans (Hannover), Albert Lilienfein (Stuttgart), H. Mattern (Bornim b. Potsdam), Hinrich Meyer-Jungclaussen (Bad Berha b. Weimar), Max Müller (Bamberg), Alexander Schimmelpfennig (Kassel), C. Schneider (Berlin), Ludwig Schnizlein (München), Max. K. Schwarz (Worpswede), Kurt Schütze (Breslau), A. Seifert (München), Carl Siegloch (Stuttgart), Fritz Stück (Kassel), Dr. Reinhold Tüxen (Hannover), Rudolf Ungewitter (Müllrose bei Frankfurt/O.); bis 1935 waren beschäftigt: Wilhelm Hübotter (Hannover-Kleefeld), Hans Gerlach (Königsberg), Fritz Stück (Kassel), Max Kamphausen (Dallgow- Doberitz, Olympisches Dorf). Im September 1934, also bei Beginn der Arbeiten, waren dies: Seifert (als Berater des Gesamtunternehmens), Allinger, Schneider, Siegloch, Erxleben, Ungewitter, Kurt Schütze, Langerhans, Schwarz, Hoemann, Hübotter, Bauch, Hirsch, Schitzlein, Meyer-Jungclaussen (Bundesarchiv-R46.01-1486).1933-1945: Arbeiten während der Zeit des Nationalsozialismus ] Ab Februar 1937 arbeitete Schneider zusammen mit Mattern, Solbrig, Göritz und Ungewitter unter der OBR Berlin am Berliner Ring und seinen Anschlußstellen. [Anm.#239: Bundesarchiv - R46.01-866. Um Hannover arbeiteten nun Hübotter und Langerhans.]

Alljährlich wurden „Arbeitstagungen" für alle Landschaftsanwälte abgehalten, an denen auch Ingenieure der Reichsautobahn teilnahmen. Die Tagungsorte wechselten jedes Jahr, die Treffen und dauerten jeweils mehrere Tage. Neben Besprechungen und Vorträgen standen auch Ausflüge auf dem Programm. Auf Geselligkeit wurde großen Wert gelegt, das Abseitsstehen von Gartengestaltern mißtrauisch beäugt. [Anm.#240: Vgl. hierzu Schriftwechsel der Landschaftsanwälte untereinander (Bundesarchiv-R46.01-866).] 1939 fand eine dieser Tagungen in Stuttgart statt. Gleich anschließend reisten manche der Teilnehmer zum III. Internationalen Kongreß der Gartengestalter nach Zürich, unter ihnen A. Seifert als Vorsitzender der deutschen Abordnung in Zürich und C. Schneider, der schon früher diese Landesgartenbauausstellung besucht hatte. [Anm.#241: Vgl. Schneider, C. 1933: Die Zürcher Gartenbauausstellung (Züga). Gartenschönheit, 14. Jg., 196-199. Es ist auffällig, daß Schneider über die „ZüGa 1939" keinen Artikel in der „Gartenschönheit" veröffentlichte, wie er es sonst regelmäßig über seine Ausstellungsbesuche zu tun pflegte.]

Ab 1940, dem zweiten Kriegsjahr, begann man, die landschaftlichen Aspekte zugunsten möglicher, nutzbringender Pflanzungen zurückzustellen. Todt forderte Seifert schließlich im Mai 1940 auf, den Anbau von Hagebutten an der Autobahn nicht nur durch entsprechende Verfügungen, sondern auch durch Propaganda in der Fachpresse" zu fördern. [Anm.#242: Brief von Todt an Seifert vom 14. Mai 1940 (Bundesarchiv - R46.01-866).] Schneider veröffentlichte, den auf die Verbesserung der „Volksernährung" zielenden Forderungen entsprechend, schon 1939 den Beitrag „Hagebutten sind schön und nützlich" [Anm.#243: C. Schneider 1939: Hagebutten sind schön und nützlich I-II. Gartenschönheit, 20. Jg., 410.64 Camillo Schneider], in dem er die Anpflanzung von Rosen u.a. auch zur Hagebuttengewinnung propagierte. Die Verwendung von Rosenhecken konnte Seifert noch mit seinen Anschauungen vereinbaren. Doch gab es auch Bestrebungen, weit weniger ansehnliche Anpflanzungen, wie beispielsweise Sonnenblumen zur Ölgewinnung oder Maulbeerbäume zur Seidenraupenzucht, an den Reichsautobahnen vorzunehmen. Seifert war immer mehr damit beschäftigt, die ursprüngliche Einbindung in die Landschaft und die ästhetische Wirkung der Autobahngestaltung als weiterhin gültige Planungsziele gegen diese Bestrebungen zu verteidigen. Im Kriegsverlauf mußte Seifert jedoch zugunsten der „Volksernährung" zurückstecken und diverse Pflanzungen mit dubiosen Erfolgsaussichten genehmigen. Schneider hatte also mit den von ihm an der Strecke Berlin-Brandenburg favorisierten Sauerkirschalleen nur ein paar Jahre zu früh gelegen, um auf offizielle Zustimmung statt auf Tadel zu stoßen.

Noch für 1944 ist Schneiders Tätigkeit für die Reichsautobahn nachgewiesen: Im Februar 1944 gingen bei der Reichskammer für bildende Künste zwei Anfragen - ein Gesuch über den Umtausch von Lebensmittelmarken in Reisemarken und eines über Ausstellung einer Bezirkskarte [Anm.#244: Vgl. Briefe vom 7.2.1944 von Artur Schmidt an die Reichskammer der bildenden Künste (Bundesarchiv-Akte C. Schneider).] - Camillo Schneider betreffend ein. [Anm.#245: Reisemarken waren frei umtauschbare Lebensmittelmarken. Eine Bezirkskarte galt für einen Zeitraum von 6 Monaten und stellte eine Art Passierschein für ein bestimmtes Gebiet dar. ] Sie dokumentieren seine Tätigkeit für die Reichsautobahn auch noch im letzten Kriegsjahr. Seine Reisen für die Reichsautobahn führten ihn 1944 in den Raum Hamburg.



9.2 Anhänger der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise

Camillo Schneider bezog lange Zeit Gemüse und Obst aus biologisch-dynamischem Anbau und war von ihrer besseren Qualität im Vergleich zu Waren aus herkömmlicher Produktion überzeugt.

Auch theoretisch beschäftigte sich Schneider mit der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise, wie sie von Max K. Schwarz [Anm.#246: Max K. Schwarz (1895-1963) arbeitete wie Schneider als Landschaftsanwalt. Er betrieb in Worpswede bei Bremen außerdem die Gärtnerei „Birkenhof" mit angeschlossener Schulungseinrichtung, wo er seine durch Nationalsozialismus und Anthroposophie geprägten Ansichten zur biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise vertrat (G. Gröning, J. Wolschke-Bulmahn 1997: Grüne Biographien. Hannover). Ab 1938 schloß er sowohl die Schule als auch die Gärtnerei und war nur noch beratend für Reichsautobahn sowie Behörden tätig (Bundesarchiv - R46.01-866). ], einem Arbeitskollegen Schneiders, vertreten wurde. Schwarz war ein überzeugter Nazionalsozialist, der die biologischdynamische Wirtschaftsweise mit der „Blut und Boden"-Ideologie verknüpfte. Schneider seinerseits bemühte sich um die Trennung von Ideologie und Anbautechnik. [Anm.#247: vgl. C. Schneider 1933: Zur biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise. Gartenschönheit, 14. Jg., 3-5; - 1933: Nochmals die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise. Die Gartenkunst, 46. Jg., 47-48.] Schwerpunktmäßig befaßte Schneider sich mit der Kompostwirtschaft, über die er auch nach Kriegsende Artikel [Anm.#248: vgl. z. B.: C. Schneider 1947: Kompostbereitung. Neue Berliner Gärtner-Börse, 1. Jg., 20.] und Bücher schrieb. Daneben interessierten ihn die schonende Behandlung des Bodens und der Verzicht auf chemische Zusätze im Gartenbau.

Die Wintertagungen des Reichsverbandes für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise in Bad Saarow besuchte Schneider im Dezember 1937 und im Dezember 1938 [Anm.#249: vgl. Gartenschönheit, 1928 u. 1939.].

9.3 Mitarbeit in Vereinigungen

Nach der erzwungenen Zentralisierung und Neuorganisation sämtlicher Vereine unter der Hakenkreuzflagge wurde Schneider in manchen dieser Vereine aktiv. Alle mit Pflanzen beschäftigten Vereine wurden dem Dachverband der „Deutschen Gesellschaft für Gartenkultur" untergeordnet und in drei „Säulen" aufgeteilt. In „Säule I" übernahm die „Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst" den Vorsitz [Anm.#250: G. Allinger war der neue Vorsitzende der „Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst".1933-1945: Arbeiten während der Zeit des Nationalsozialismus], „Säule II" umfaßte die speziellen Pflanzengesellschaften, „Säule III" allgemeine Gartenbaugesellschaften. [Anm.#251: C. Schneider 1933: Deutsche Gesellschaft für Gartenkultur. Gartenschönheit, 14. Jg., 91.] Diese Neugliederung und Straffung der Fachvereine kam Schneiders Vorstellungen sehr entgegen, der schon früher eine einheitlichere, landesweite Vereinsgestaltung im Gartenbau gefordert hatte. Schneider war schließlich für die Versuchsabteilung der „Säule III" zuständig. Er engagierte sich außerdem in der Deutschen Dahlien-Gesellschaft (DDaG), der Deutschen Gladiolen-Gesellschaft (DG1G) und dem Verein Deutscher Rosenfreunde (VOR):

Da Schneider schon in Zusammenarbeit mit Karl Foerster versucht hatte, die unzähligen neuen Sorten der Dahlie zu klassifizieren, lag es nahe, daß er in die Deutsche Dahlien-Gesellschaft eintrat. 1934 war er als Beiratsmitglied in dieser Vereinigung tätig.

Camillo Schneider setzte sich mit der Gladiole nicht nur in botanischer Hinsicht auseinander, sondern auch speziell mit ihrer Verwendung im Garten. Über dieses Thema hielt Camillo Schneider auf der Jahrestagung der Deutschen Gladiolen-Gesellschaft e.V. vom 21. August 1936 in Dresden einen gut besuchten Lichtbildervortrag im Ausstellungskino der Reichsgartenschau unter dem Titel „Die Verwendung von Gladiolen in Gärten".[Anm.#252: D.Gla.G, D.Da.G. (Hg.) 1937: Dahlien und Gladiolen (Jahrbuch).] Während der Jahreshauptversammlung der Deutschen Gladiolen-Gesellschaft vom 14. August 1937 in Düsseldorf wurde Camillo Schneider zum neuen Vorsitzenden gewählt. [Anm.#253: D.Gla.G, D.Da.G. (Hg.) 1938: Dahlien und Gladiolen (Jahrbuch).] Dieses Amt hatte er ca. ein Jahr inne. Im gemeinsamen Jahrbuch der Deutschen Dahliengesellschaft und der Deutschen Gladiolengesellschaft, „Dahlien und Gladiolen", publizierte Camillo Schneider diverse Schriften und nahm die ihm vertrauten Aufgaben der Schriftleitung wahr.

Außerdem wurde Camillo Schneider für den Verein Deutscher Rosenfreunde (VOR) tätig. So hielten er und Conrad Maaß auf der 51. Mitgliederversammlung, die zusammen mit der Deutschen Rosenschau 1936 in Hamburg in der Zeit vom 18.-20. Juli abgehalten wurde, „verschiedene Ansprachen und Vortrage"? [Anm.#254: C. Schneider 1936: Rosenveranstaltungen im Juli. Gartenwelt, Beilage zur Gartenschönheit, 17. Jg., 65.] Spezielle Kenntnisse hatte er sich schon früher über Rosengewächse angeeignet. Von seiner Kompetenz auf diesem Gebiet zeugen neben verschiedenen Artikeln vor allem zwei Bände der „Bücher der Gartenschönheit" aus den zwanziger Jahren über Rosen, die er zusammen mit Wilhelm Mütze verfaßt hatte. [Anm.#255: s. W. Mütze, C: Schneider 1924: Das Rosenbuch. Berlin-Westend. 1. Aufl.; - 2. Aufl. 1927.; - 1937: Die Rose in Garten und Park. Berlin.] Schneiders besonderes Interesse galt den Wildrosen, deren unaufdringliche Schönheit mit ihren vielfältigen Arten aus aller Welt er u.a. in einem Sonderheft der „Gartenschönheit" publik machte. [Anm.#256: s. C: Schneider 1935: Edelrosen, Busch-, Hochstamm- und Kletterrosen (Sonderheft der Gartenschönheit, Berlin] Zu Gast war er auch auf der Jahrestagung des VOR von 1937, die in Zweibrücken stattfand.[Anm.#257: C. Schneider 1937: Jahrestagung des Vereins Deutscher Rosenfreunde. Gartenschönheit, 18. Jg., 378.]





9.4 Als „auswärtiger Botaniker" am Botanischen Museum Dahlem

Nach seiner Ankunft in Berlin im Jahr 1920 war Schneider bald in Kontakt zum Botanischen Museum in Berlin-Dahlem getreten.[Anm.#258: A. Steffen 1951: Camillo Schneider zum Gedächtnis. Deutsche Baumschule, 3. Bd., 58.] Aus den Jahrbüchern des Botanischen Museums geht hervor, daß er dem Museum von 1921 bis 1924 unentgeltlich eine Sammlung amerikanischer Salixarten und Herbarpflanzen aus Sichuan, Südchina und Bulgarien überließ. Das Museum nutzte er auch als Arbeitsstätte. Hier führte er an den Salixarten weitere Bestimmungen durch. In den Jahresberichten 1927/1928 und 1928/29 wurde Camillo Schneider im „Notizblatt des Botanischen Gartens und Museums zu Berlin-Dahlem" erneut namentlich erwähnt und als einer der Auswärtigen Botaniker" aufgeführt, die besuchsweise am Museum als Botaniker tätig waren. In diesen Jahren spendete er außerdem 30 verschiedene Sämereien aus Brasilien (Rio de Janeiro).

Ab 1936 arbeitete er am Museum fortlaufend an seiner noch unvollendeten Berberis-monographie, die er im Auftrag der Royal Horticultural Society (R.H.S.) erstellen sollte. [Anm.#259: G. Pniower 1953: Gehölzkunde und Landeskultur. Leipzig/Jena. ] Er hatte bereits im Jahre 1905 angefangen, Material über Berberis zu sammeln. [Anm.#260: K. Wagner 1941: Camillo Schneider 65 Jahre alt. Gartenbau im Reich, 22. Jg. der Gartenschönheit, 77.1933-1945: Arbeiten während der Zeit des Nationalsozialismus 67] Nur noch wenig fehlte ihm bis zur Vollendung der gesamten Monographie, als der Krieg seine sorgfältigen Studien zunichte machte. Alle Aufzeichnungen, Hunderte von Skizzen und Fotos, Reisenotizen und seine Literatursammlung wurden bei einem Bombenangriff vernichtet. Dieses Bombardement vom 1. März 1943 beschädigte das Museum schwer und löste dort einen Brand aus, dem auch Schneiders Materialien zum Opfer fielen. Um weiteren Schäden vorzubeugen, wurden die verschont gebliebenen wertvolleren Herbarreste, Bücher und sonstigen Exponate des Museums verpackt und an sicheren Orten gelagert. Da von 1944 bis 1953 keine Nachrichten über die Tätigkeit des Museums herausgegeben wurden, ist es nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang Camillo Schneider bis zu seinem Tode am Museum tätig war. Seine Berberismonogra-phie, die zum krönenden Abschluß seiner dendrologischen Tätigkeiten hätte werden können, blieb jedenfalls wegen dieses Brandes unvollendet.

Auch bei der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft (D.D.G.) betätigte er sich aktiv. In den Mitteilungen der D.D.G. von 1928 I wird Camillo Schneider als Spezialist der D.D.G. zur Erteilung von Auskünften über Berberis, Cercocarpus, Deutzia (alleinig), Salix (zusammen mit A. Rehder) und Syringa (zusammen mit Stares und Stipp) genannt.

In geringerem Umfang als früher bereiste Camillo Schneider auch weiterhin das europäische Ausland. Beispielsweise hielt er auf der Züga (Züricher Gartenbau-Ausstellung) im Jahre 1933 einen dendrologischen Vortrag.



Camillo Schneider war Mitglied des Bundes Deutscher Gartengestalter in der Reichskammer der Bildenden Künste und durch seine schriftstellerische Tätigkeit ebenfalls der Reichs Schrifttumskammer verpflichtet. Schneider mußte, wie seine übrigen Berufskollegen, für sich und seine Frau im Jahr 1937 einen „Ariernachweis" [Anm.#261: Im Ariernachweis waren Dokumente wie Geburts- und Sterbeurkunde sowie Religionszugehörigkeit bis zu den Großeltern zu erbringen.] erbringen, um weiter Mitglied in der Reichskammer der Bildenden Künste zu bleiben. Die Mitgliedschaft in dieser Kammer war die Voraussetzung, um überhaupt als Gartengestalter arbeiten zu dürfen. Das Amt monierte die Unvollständigkeit der Urkunden bezüglich der Abstammung von Schneiders Frau Margot. Margot Schneider wuchs in England als Kind deutscher Eltern auf und zog erst nach der Heirat mit Camillo Schneider nach Deutschland. Die Beschaffung der fehlenden Urkunden erwies sich daher als eine zeitraubende und schwierige Angelegenheit. 1939 [Anm.#262: Im Mai 1939 zog Schneider von der Bolivaralle 9 in die Salzburger Str. 16/111 um (Bundesarchiv -Akte C. Schneider).] wurde Schneider eindringlich daran erinnert, seinen Personalfragebogen für die Reichskulturkammer auszufüllen. Neben der Abgabe eines Paßbildes wurden Fragen zu Konfession, Beruf etc. gestellt. Schneider antwortete auf die Frage nach seiner Religionszugehörigkeit mit „gottgläubig" und gab an, selbständig in „Gartenberatung und Fachschriftstellerei" tätig zu sein:

„Ich (Schneider, Anm. d. Verf.) habe seit 1900 eine grosse Zahl privater Gärten angelegt in der Ostmark, Ungarn, Böhmen und Deutschland. " [Anm.#263: Bundesarchiv - Akte Camillo Schneider.]

Neben seinem schriftstellerischen und dendrologischen Engagement sowie seiner Tätigkeit als Landschaftsanwalt arbeitete Schneider weiterhin als Gartenarchitekt. 1941 führte er im Telefonbuch [Anm.#264: Seine damalige Anschrift lautete: Schöneberg (Alt-Schöneberg), Salzburger Straße 16.] den Titel „Gartengestalter" und inserierte mehrfach in der ständigen Werbesammelrubrik „Lassen Sie sich durch einen Gartengestalter beraten" der „Gartenschönheit" mit folgendem Text:

Camillo Schneider, Gartengestalter. Zeitgemäße biologische Beratung. Entwurf und Oberleitung. Erneuerung alter Parks und Gärten. Steingärten, Staudengärten und Wildgärten im Inlande und Auslande." [Anm.#265: N.N. 1937: Lassen Sie sich durch einen Gartengestalter beraten (Werbung). Gartenschönheit, 18. Jg., 379.68 Camillo Schneider]

Camillo Schneider arbeitete als sog. Honorargartengestalter. Honorargartengestalter besaßen im Gegensatz zu der Hauptzahl der tätigen Gartenplaner keinen eigenen Aufzuchtbetrieb. Hierdurch blieben ihnen die Einnahmen aus dem Wiederverkauf der verwendeten Pflanzen verwehrt. Zu dieser Sachlage schrieb Camillo Schneider mehrere Anfragen um eine Klärung an den Landesleiter für Bildende Künste. Schneider fragte an, ob die unterderhand gängige Praxis, daß auch Honorargartengestalter die Pflanzen von großen Baumschulen zum Einkaufspreis erhielten und bei Pflanzung vom Auftraggeber eine Provision verlangten, legal oder illegal wäre. Er wies auf die entstehende Wettbewerbsverzerrung hin, wenn Honorargartengestalter keine Provisionen verlangen dürften. Die übrigen Gartengestalter, die über eine Aufzuchtanlage verfügten, wären in diesem Fall wesentlich besser gestellt, da sie die Pflanzen zum Einkaufspreis erhielten und hierauf dem Kunden ganz legal über ihren Anzuchtbetrieb einen Aufschlag berechneten. Von der Kammer wurde jedoch beschieden, daß es laut „Berufsanordnung für Gartengestalter" untersagt sei, Provisionen für Honorargartengestalter von den Lieferern von Bau- und Pflanzstoffen bzw. dem Bauherren zu verlangen. [Anm.#266: Vgl. Briefwechsel zwischen C. Schneider und Kurz vom 22.2.1940 bis 6.6.1940 (Bundesarchiv - Akte C. Schneider).]

Bis auf die mißliche Auswirkung des Bombenangriffs auf das Museum blieben Camillo Schneider und seine Frau von unmittelbaren Kriegsgefahren verschont,

„aber beide mußten viele Bitterkeiten und Sorgen durchkosten, so daß sein Alterswunsch, fern von den Geschäften und im behaglichen Daseinsgenuß zu leben, nicht in Erfüllung ging. Im Gegenteil, es bedurfte aller philosophischen Fassung und Haltung, um sich über die Übel des Alltags hinaus die geistige Freiheit zu erhalten." [Anm.#267: A. Steffen 1951: Camillo Schneider zum Gedächtnis. Deutsche Baumschule, 3. Bd., 59.1933-1945: Arbeiten während der Zeit des Nationalsozialismus]

Um sie herum ging Berlin in Trümmer, und der Arbeitsmarkt hatte keinen Bedarf an Gartengestaltern und -Schriftstellern. Die „Gartenschönheit", in den Kriegsjahren umbenannt in „Gartenbau im Reich" und mit anderen Zeitschriften zusammengelegt, wurde immer dünner und am 1. Oktober 1944 schließlich völlig eingestellt. Für Fachzeitschriften war kein Papier mehr vorgesehen. Auch für Gartengestaltung hatte niemand Sinn oder Geld. Es gelang kaum, die bestehenden Gärten und Parks zu erhalten. Insbesondere in den Städten wurden alle Freiflächen für den Anbau von Nahrungsmitteln in Beschlag genommen. Die Leute wurden angehalten, an der „Erzeugungsschlacht" im Garten mitzuwirken. Daher ist davon auszugehen, daß Schneider schon in Kriegszeiten mit Geldproblemen zu kämpfen hatte. Er konnte sich glücklich schätzen, ein geringes Grundeinkommen durch seine Tätigkeit bei der Reichsautobahn zu erhalten.

Abb. 21:[GARTENBAU IM REICH Zeitschrift für Gärtner, Garten- und Blumenfreunde JANUAR / MÄRZ, 1944 25. JAHRGANG DER «GÄRTENSCHÖNHEIT«] Titelbild des letzten Jg. der in „Gartenbau im Reich" umbenannten „ Gartenschönheit"

[Kapitel 10]